In der letzten Woche waren wir Teilnehmer eines Fachkongresses zum Thema „Effizienter Einsatz personalpsychologischer Instrumente im professionellen HR-Management“ in Hannover. Da wir solche Instrumente seit Jahren anwenden, war dieser Kongress eine tolle Möglichkeit des fachlichen Austausches und Inputs.
Der Kongress widmete sich der Fragestellung, inwiefern der Einsatz eignungsdiagnostischer Verfahren im Personalauswahlprozess und im Rahmen der Personalentwicklung sinnvoll sein kann. Durch umfangreiche Best-Practise-Beispiele wurde schnell klar, dass ein Einsatz dieser Verfahren, es ging hier um das BIP – Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung – bereits geübte Praxis ist und Erfolge und Akzeptanz sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Bewerber- bzw. Mitarbeiterseite ausreichend vorhanden sind.
Führungskräfte sind auf der Suche nach Selbstreflexion
Best-Practise-Beispiele zeigen, dass gerade Führungskräfte an einer Selbstreflexion, so wie sie durch die Erhebung des BIP-Selbstbildes möglich ist, interessiert sind. Das macht Sinn, denn wer es in großen Unternehmen bis zur Führungskraft geschafft hat, hat i. d. R. einige Manager-Seminare zu den unterschiedlichen Themen wie „Führung“, „Konfliktmoderation“, „Selbstorganisation“ und dergleichen mehr besucht. Spannend scheint vor diesem angestrebten Ausbau der Kompetenzen dann der Blick auf sich selbst. Die Führungskraft bekommt ein gutes Bild darüber, wie sich ihre berufsbezogenen Persönlichkeitsmerkmale in Analogie zur Vergleichsgruppe darstellen.
Bei Bedarf kann dann, z. B. mit Hilfe eines Coaches, gezielt weiter an den Merkmalen gearbeitet werden.
Persönlichkeitstest spielen bei der Besetzung von Top-Positionen keine Rolle
Wir erfuhren im Laufe des Kongresses, dass bei der Besetzung von Führungspositionen, insbesondere bei der Besetzung von Top-Manager-Positionen, immer weniger auf Testverfahren zurückgegriffen. Die Quote geht gegen Null.
Die Auswahl dieser Positionen läuft nach „Bauchgefühlt“ und mit Hilfe mehr oder weniger strukturierter Interviews. Warum eigentlich?
Ausbildungsplatzbewerber*innen müssen nicht nur mehr oder weniger zweifelhafte Konzentrations- und Intelligenztests über sich ergehen lassen, sich dann, wenn sie „eine Runde weiter“ sind, einem Assessment-Center unterziehen bevor sie dann – endlich – ein persönliches Gespräch führen dürfen.
Und Manager, deren Aufgabengebiete aufgrund der gestiegenen Anforderungen immer komplexer werden, können sich im Auswahlprozess auf das Bauchgefühl ihrer Gesprächspartner und den Ruf, der ihnen vorauseilt, verlassen? Ich habe einmal einen Ausspruch eines britischen Unternehmensführers gelesen, der ging ungefähr so: „Wir stellen Leute wegen ihrer fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen ein, aber wir feuern sie aufgrund ihrer Persönlichkeit“
Interviews, Bauchgefühl, Test – auch bei der Besetzung von Manager-Positionen
Wäre es dann nicht sinnvoll, wenn Personalentscheidungen auf Manager-Ebene zusätzlich zu Bauchgefühl und Interview durch eignungsdiagnostische Verfahren abgesichert würden?
Das Unternehmen könnte ein Anforderungsprofil für die zu besetzende Position erstellen, das u. a. auch die unterschiedlichen Erwartungen an die Führungskraft definiert. Es könnte ein Soll-Korridor erstellt werden, der dann mit den Ergebnissen des Tests abgeglichen wird.
Ich finde, ein solches Verfahren würde Interviews und Bauchgefühl sinnvoll ergänzen.
Vielleicht könnte dadurch die ein oder andere personelle Fehlentscheidung verhindert werden. Beispiele für gescheiterte Manager-Persönlichkeiten gibt es rückbetrachtet ja genug!
Claudia Praski