Die „Dove-Kampagne“ in der Frauen in einer Reihe stehend ein Pflegeprodukt bewerben, gilt in der Werbewirtschaft als „Megatrend der Gegenwart, der die Sehnsucht nach Authentizität bzw. nach dem Authentischen ausdrückt“. Dies hat seinen Grund darin, dass man bewusst auf Models zurück gegriffen hat, die eher das tatsächliche Frauenbild darstellen.
Was hat das alles mit Personal und Bewerbung zu tun?
Eine Bewerbung ist auch Marketing. Werbung in eigener Sache. BewerberInnen bieten sich als Ideal für eine ausgeschriebene Stelle an. Dabei wird immer häufiger das Stilmittel der Inszenierung genutzt, um sich kommunikativ gegenüber dem Wettbewerb abzugrenzen. Da wird beispielsweise die Angabe einer Elternzeit im Lebenslauf zum „Management eines kleinen Familienbetriebes“ stilisiert. Jeder ist „breit aufgestellt“ und alles ist „extrem spannend“. In der „Absatzwirtschaft“, einer Zeitschrift für Marketing, las ich neulich, dass Geschichten um Botschaften herum geformt werden. Die Botschaft lautet in der Regel:
Kauf! unser! Produkt!
Auch dann, wenn sie nur eine vermeintliche Wirklichkeit darstellt. Denn auch die Wahrheit wird in diesem Fall für einen bestimmten Zweck inszeniert.
Dabei ist die Partnerwahl im Bewerbungsprozess so einfach! In der Personalwirtschaft existiert der Begriff der Gravitation. Bezeichnet werden damit Prozesse, die dazu führen, dass Unternehmen bestimmte Menschen anziehen und für die Mitarbeit auswählen. Ähnlich wie beim Marketing wird von einem Mechanismus ausgegangen, der eine Selektion mit einem hohen Maß an Übereinstimmung von Unternehmens- und Bewerberidentitäten vornimmt. Meine Erkenntnis daraus ist: Bewerber suchen sich ein Unternehmen und/oder Aufgabengebiet, welches ihre Persönlichkeit repräsentiert und umgekehrt.
Insofern ist es wichtig, dass beiderseitige Erwartungen und tatsächliche Eigenschaften klar formuliert werden.
Ich habe nach dem Begriff „Authentizität“ in „stepstone“ gesucht und erhielt 67 Treffer. Am häufigsten bei ausgeschriebenen Positionen im Personal- und Vertriebs-Bereich, am wenigstens bei Marketing- und Recht-Positionen. Auf folgende Formulierungen bin ich gestoßen:
- „Sie überzeugen mit Authentizität und pragmatischer Herangehensweise und verstehen es, Beteiligte zu begeistern und zu überzeugen“ (Personal)
- „Authentizität und ein emphatisches Verhalten zeichnen Ihre Person aus“ (Buchhaltung)
- „Sie treffen auf ein kollegiales Umfeld, in dem Sie für Ihre Authentizität und Begeisterungsfähigkeit geschätzt werden“ (Logistik)
Doch beschreibt Authentizität zutreffend die gesuchte Eigenschaft? Ist die Inszenierung der „Führung eines kleinen Familienunternehmens“ statt „Ich war in Elternzeit“ in ihrer Wirkung authentisch? Hier offenbart sich doch ein scheinbarer Unterschied zwischen „Wahrheit“ und „Wirklichkeit“. Irgendetwas stört mich daran sehr.
Also forschte ich weiter, nahm das Lexikon der Psychologie zur Hand und erhielt für den Begriff „Authentizität“ folgende Definition:
„In Authentizität kommt die (zeitliche) Einmaligkeit und (wesensmäßige) Einzigartigkeit (Unverwechselbarkeit, Unterscheidbarkeit) der Person zum Ausdruck, die sie in allen existentiellen Belangen (Entscheidungen, Handlungen, Verantwortung, Sinn) unvertretbar und unersetzlich macht.“
Also ist „Authentizität“ ein Teil der Persönlichkeit?
„Persönlichkeit“ leitet sich aus dem Wort „Persona“ ab. In der Antike war „Persona“ eine Bezeichnung für die Maske von Schauspielern. Die Metapher mit der Maske hat einen versteckten Sinn: jeder Mensch möchte nach außen ein bestimmtes Gesicht zeigen, das nicht immer mit der Wirklichkeit identisch ist.
Wenn „Gravitation“ übereinstimmende Persönlichkeiten baucht, dann braucht es auch Klarheit und Wahrhaftigkeit – eben Authentizität. Um mit einer Bewerbung, einem Selbstmarketing, erfolgreich zu sein, muss es in der Kommunikation zwischen Unternehmen und BewerberInnen weniger um Inszenierung, dafür mehr um Stimmigkeit gehen.
Hier passt ein Zitat von Peter Altenberg: „Sei, der du bist, nicht mehr, nicht weniger, aber der sei!“
Übrigens „Stimmigkeit“ als Suchbegriff bei „stepstone“ ergab nur einen Treffer, und zwar bezogen auf die Stimmigkeit von Zahlen, nicht persönliche Eigenschaften.